Aus der DSLR/DSLM eine Pinhole-/Lochkamera machen

In den vergangenen drei, vier Jahren habe ich mangels "neuer" historischer Digitalkameras – die Sammlung ist mehr oder weniger komplett genug – ungezählte Objektive aus der Analogzeit auf diversen spiegellosen Systemkameras adaptiert und getestet. Bis auf ganz wenige Ausnahmen immer mit Erfolg! Überwiegend auf 13x17 mm microFourThirds Viertelformatsensoren, solchen mit 15x23 mm APS-C Halbformatsensoren und im 24x36 mm Vollformat. Nicht zu vergessen die Pentax Q mit ihrem winzigen 4,6x6,2 mm Sensor und die Modelle der Nikon 1 Serie mit ihren 8,8x13,2 mm 1 Zoll-Sensoren. 

Eins hatten/haben dabei alle probierten Objektive gemein. Sie sind aus mindestens drei Linsen aufgebaut! Jetzt kommt ein "Objektiv", das überhaupt keine Linse aufweist! Ein so genanntes Lochkamera- oder Pinhole-Objektiv.

Über 10 Jahre liegen zwischen den Kameras!

Das erste große Foto zeigt meine längst verflossene Vollformat DSLR, die 12 Megapixel Nikon D700 von 2008 mit meinem damaligen Lochkamera-Objektiv. So toll diese DSLR war, ein Nostalgie-Exemplar werde ich nicht mehr in die Sammlung aufnehmen. Hält doch da die nur noch wenig eingesetzte 16 MP Nikon D4 die Vollformat DSLR-Stellung. Unter der D700 die spiegellose 20 MP Halbformat Nikon Z50 mit einem etwas anderen Lochkamera-Objektiv und die Vollformat Z7 mit dem Objektiv der D700.

Vorweg, das „schöne“, rote Pinhole hat sich als weniger brauchbar erwiesen, es kam überwiegend das andere, "silberne" Lochobjektiv zum Einsatz.

Aus dem Herbst 2011 – Japanischer Garten im Rheinauenpark Bonn, aufgenommen mit der 12 Megapixel Vollformat-DSLR Nikon D700 und dem gezeigten Pinhole

Das ist ja unscharf …

Ja, die Erklärung ergibt sich im Verlauf des folgenden Texts

Pinhole?

Leodict bietet für Pinhole: „sehr kleines Loch“, „Nadelloch“, „Lochblende“. Weil das Loch der Lochkamera oft mit einer Stecknadel gestochen wird, heißt der englische Terminus pinhole camera. Soweit so gut, aber wie klein ist klein? Welche Blende, welche Lichtstärke (eher Lichtschwäche) Brennweite hat so ein Pinhole-Objektiv?

Einiges Suchen im Internet brachte Blendenwerte, die jenseits der 100 liegen! Eine Rechnung sieht so aus: „Das von mir verwendete Objektiv hat eine Brennweite von ca. 24 mm, das Loch hat einen Durchmesser von 0,218 mm. Das entspricht einem Blendenwert von 110.“ Eine andere Rechnung ergibt für 140 mm Brennweite bei einem Pinhole-Durchmesser von 0,5 mm eine Blende von f/280! Oder: „Wenn das Loch also 50mm vom Film entfernt ist (=50mm Brennweite), und das Loch einen Durchmesser von 0,2 mm hat, dann habt Ihr eine Blende f/250

Bei einer konventionellen Blendenreihe sieht das so aus: Blende f/16 - f/32 - f/64 - f/128 - f/256

Nach meinen lange zurückliegenden Experimenten auf der Nikon D700 hatte ich bei ISO 100 Belichtungszeiten von 1 bis 4 Sekunden. Nach der Faustformel ISO = Verschlusszeit bei Blende 16 und bestem Licht hätte ich 1/125 s. Wenn ich mal mit 1/30 s kalkuliere, käme diese Belichtungsreihe heraus:

f/16 1/30 s - f/32 1/15 s - f/64 1/8 s - f/128 1/4 s - f/256 1/2 s - f/512 1 s - f/1024 2 s

Das passt also nicht wirklich. Und die letzen beiden Blenden f/512 und f/1024 sind vermutlich unrealistisch. Ist aber unerheblich, es geht ja nur ums Experimentieren, Spielen.

Nachdem aber die vermutete Blende/Öffnung fürs eingesetzte Pinhole-Objektiv um f/128 bis f/256 liegen dürfte, stellt sich die Frage der Brennweite. Das Pinhole-Objektiv hat etwas weniger als 50 mm. Das 2,8/35-70 mm stand auf 48 mm – siehe unten.

Und die Unschärfe?

Sehr wahrscheinlich durch Beugung! Die einzelnen Zellen/Pixel des 24 MP Sensors der Z6 haben einen Abstand/Pixelpitch von 5,9 µ. Laut Regel beginnt die Beugungsunschärfe bei Pixelpitch x 2. Also 5,9 µ x 2 = f/11,8. Erfahrungsgemäß ist auch Blende f/16 noch unproblematisch. Ganz sicher aber nicht eine Pinholeöffnung/Blende zwischen f/128 und f/256.

Verstellbare Öffnung bei einem Pinhole-Objektiv?

Gab/gibt es … Ist mir aber mit rund 70 Euro inkl. Versand aus UK nur zum Spielen viel zu teuer …

Brennweitenvergleich

Von links nach rechts: Nikon Z6 plus Pinhole, Nikon D4 plus Pinhole, Nikon D4 plus 2,8/35-70 mm bei 48 mm

Lochkamera-Geschichte

"Die älteste Kamera der Welt, die (Loch) Camera Obscura"

Wikipedia schreibt (gekürzt): "Eine Camera obscura (lat. camera „Kammer“; obscura „dunkel“) ist ein dunkler Raum mit einem Loch in der Wand, die als Metapher für die menschliche Wahrnehmung und für die Herstellung von Bildern verwendet wird. Hat der dunkle Raum die Größe einer Schachtel, spricht man auch von einer Lochkamera. Die Camera Obscura gilt als Vorläufer und Grundlage der modernen Fotografie.

Eine Camera obscura besteht aus einem lichtdichten Kasten oder Raum, in den durch ein schmales Loch das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Rückwand trifft. Auf der Rückwand entsteht dabei ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild dieser Szene, (…) eine Projektion des Außenraumes. (…) Der kleine Durchmesser der Blende beschränkt die Bündel auf einen kleinen Öffnungswinkel und verhindert die vollständige Überlappung der Lichtstrahlen. Strahlen vom oberen Bereich eines Gegenstands fallen auf den unteren Rand der Projektionsfläche, Strahlen vom unteren Bereich werden nach oben weitergeleitet. Jeder Punkt des Gegenstands wird als Scheibchen auf der Projektionsfläche abgebildet. Die Überlagerung der Scheibchenbilder erzeugt ein verzeichnungsfreies Bild. (…) Der Durchmesser dieses Lochs bestimmt die Helligkeit und Schärfe der Abbildung. Simpel gesprochen erzeugt ein großes Loch hellere, aber unschärfere Bilder, ein kleines Loch dunklere, schärfere Bilder.

Weil das Loch der Lochkamera meist mit einer Stecknadel gestochen wird, heißt der englische Terminus pinhole camera. (*) Das auf der gegenüberliegenden Innenseite entstehende reelle Bild lässt sich auf lichtempfindlichem Material (Fotopapier oder Film) oder über einen elektronischen Bildwandler (Bildsensor) festhalten. (…)"

(*) Was mit der Stecknadel natürlich nur bei weichen Materialien funktioniert. Im simpelsten Fall mit einem Kameragehäusedeckel, was je nach Methode nicht sehr präzise ist. Fertige Lochblenden bestehen in der Regel aus einer dünnen Metallfolie, in die ein Loch gelasert oder gebohrt wurde.

Grundwissen Lochkamera

Lochkamera selber bauen

Beispielfotos aus der Nikon Z6

Beispielfotos aus der Nikon DSLR D2Hs

Und dann wollte ich es doch noch wissen! Pinholes auf der 16 MP Vollformat Nikon DSLR D4

Qualitäts- und sonstiger Eindruck

Qualität?

Gewollt und von der Physik her unscharfe Traumwelten. Aber das wird nicht mein Ding! Zur "Kontrolle", zum Vergleich hatte ich das linsenlose "Objektiv" noch auf der 4 MP Halbformat DSLR Nikon D2Hs probiert. Was dort totalen "Blindflug" bedeutet, weil im Spiegelreflexsucher so gut wie nichts zu erkennen ist. D2Hs-Belichtung ISO 400, 4 s Belichtungszeit. Um bis auf das Licht einen Vergleich zu meiner damaligen 12 MP Vollformat-DSLR Nikon D700 zu haben, habe ich die beiden vorhandenen Pinholes "rot" und "silber" — siehe ganz oben — auf die 16 MP Vollformat Nikon D4 montiert. Auch wieder vom Stativ, aber diesmal mit der Nikon D4 Liveview-Möglichkeit. Das linke Foto mit dem "roten", das rechte mit dem "silbernen" Pinhole. Nachdem auch dort die Motive einfach zu unscharf waren, ist mein Bedarf an Pinhole-Fotografie gedeckt, mein Interesse erloschen. Ich hatte einfach weniger Unschärfe, sondern stattdessen mehr Erkennbarkeit bei gewollter Weichheit erwartet.

Wenn ich in die Traum-/Trash-Ecke gehe, vergleiche, dann trifft die HOLGA Lens for Nikon DSLR Camera 1:8 HL-N f=60mm doch viel eher meinen Geschmack. Die zudem mit hohen ISOs problemlos aus der Hand auf der spiegellosen Z-Nikon einzusetzen ist. Mit Motivkontrolle!

Ralf Jannke, April 2024

 

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