Sind alte Digitalkameras unverkäuflich?

Regelmäßige Ebay-Nutzer kennen das Phänomen: Man begegnet den gleichen Angeboten teils monatelang immer wieder und beim flüchtigen Blick in abgelaufene Auktionen häufen sich die nicht verkauften Geräte. Da ist die Vermutung naheliegend, dass ältere Digitalkameras kaum noch zu verkaufen sind. Ich wollte es doch mal genauer wissen und habe mir exemplarisch eine Reihe von Kameras von Canon vorgeknöpft und für diese die abgelaufenen Auktionen angeschaut, die Ebay noch in der Recherche bereitstellt.

Dabei habe ich die Angebote zusammengefasst, die wiederholt ohne Erfolg zum gleichen Preis eingestellt wurden. Das ergibt ein deutlich differenzierteres Bild. Dieses ist eine Momentaufnahe von Anfang Januar 2020. Täglich kommen neue verkaufte Kameras hinzu und andere verschwinden aus der Recherche. Es wird daher spannend sein, das Experiment mit etwas zeitlichem Abstand zu wiederholen.

Vorneweg die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die meisten Kameras werden verkauft.
  • Spiegelreflexkameras aber auch die vielgeschmähten Kompaktkameras finden gebraucht noch einen Abnehmer.
  • Bei populären Modellen stellt sich ein Marktpreis ein. Liegt ein Angebot preislich darüber, findet es keine Abnehmer. Da hilft es auch nicht, das Angebot immer und immer wieder einzustellen. Wenn der Preis nicht passt, kauft keiner.
  • Meistens gibt es einzelne Ausreißer nach oben oder unten. Manchmal sind die erklärbar, in vielen Fällen aber auch nicht.

DSLR-Kameras:

Ich habe mir die Modelle EOS D30 und EOS 1D eher als Sammlerstücke ausgewählt und die Modelle EOS 400D und EOS 50D als etwas betagtere Exemplare aus dem Massenmarkt. Erwartungsgemäß wechseln von den beiden letztgenannten deutlich mehr den Besitzer.

Von der EOS 1D und der D30 wurden jeweils 6 Stück verkauft, wobei die Durchschnittspreise mit 189 € bzw. 62 € ziemlich nahe an den digicammuseum.de-Schätzpreisen lagen. In beiden Fällen gab es genau einen Verkäufer, der mit einer deutlich höheren Preisvorstellung (241 / 109 €) keinen Erfolg hatte.

Bei EOS 50D und 400D gab es deutlich mehr Verkäufe und auch deutlich mehr Nicht-Verkäufe bei zu hohem Preis:

 

verkauft

Nicht verkauft

 

Modell

Anzahl

Preis

Anzahl

Preis

Schätzpreis

EOS 50D

56

129 €

25

211 €

135 €

EOS 400D

33

75 €

17

90 €

108 €

Bemerkenswert ist hier, dass sich ein ziemlich exakter Marktpreis eingestellt hat, der bei 125 € für  die 50D und 75 € für die 400D liegt. Jeweils für den Body mit allem Originalzubehör und ohne Objektiv. Jenseits dieser Preise werden zwar einzelne Kameras verkauft, die meisten teureren Angebote bleiben jedoch unbeachtet.

Kompaktkameras:

Mit den Modellen PowerShot A10 und Pro 90IS habe ich mir zwei echte Klassiker ausgesucht, die aber so gut wie nicht mehr gehandelt werden: Die einzige A10 blieb für 15 Euro liegen und die einzige Pro 90IS ging für 16 Euro deutlich unterhalb unseres Schätzwertes von 48 Euro weg.

Spannender ist die Situation bei Kameras, die im Alltag immer noch eine gute Figur machen. Dabei ist die Digital Ixus 40 eigentlich schon grenzwertig: Sie sieht mit dem ultrakompakten Metallgehäuse zwar immer noch aktuell aus, ist fotografisch aber der letzten Smartphone-Generation in allen Belangen deutlich unterlegen. Das wirkt sich natürlich auf den Preis aus: Satte 26 Stück wurden verkauft, für durchschnittlich 12 Euro. Die Zahl täuscht jedoch ein wenig: Die meisten Kameras gingen eher in der Gegend um 5 Euro weg, einige wenige wurden für Phantasiepreise zwischen 35 und 50 € verkauft. Das klappt jedoch nicht immer: Die acht nicht verkauften Exemplare lagen im Schnitt bei 22 Euro.

Eine wirklich großartige Alltags- und Urlaubskamera ist die Canon SX200 IS. Das zeigt sich auch an den Verkäufen: Satte 47 Stück wurden verkauft, nur bei zweien hatte der Verkäufer den Preis überreizt. Ansonsten zeigt sich das gleiche Bild wie bei der Ixus: Der Durchschnittspreis von 40 € entsteht durch viele Verkäufe im Bereich um 25 € in Kombination mit wenigen deutlich teurer verkauften Exemplaren um 50 – 70 €. Die beiden erfolglosen Verkäufe sollten im Schnitt 55 Euro einbringen.

Elektroschrott:

In den obigen Angaben sind nur funktionsfähige Kameras enthalten. Kaputte Exemplare sind generell viel weniger bei Ebay zu finden. Wenn doch, erzielen Sie erstaunlich hohe Preise. Das kann ich mir auf drei Arten erklären:

  • Manch einer hat eine geliebte Kamera zuhause, die den Geist aufgegeben hat und deren Reparatur sich nicht mehr lohnt oder nicht mehr möglich ist. Da hilft ein zweites defektes Exemplar eventuell bei der Reparatur. Ich habe da zwar erhebliche Zweifel, was die Erfolgsquote angeht. Vielleicht sind die Käufer aber auch Werkstätten auf der Suche nach Ersatzteilen, die anders nicht mehr zu bekommen sind.
  • Vielleicht hat der eine oder andere bei der Lektüre der Fehlerbeschreibung festgestellt, dass ihn der Fehler nicht stört. So ist z.B. ein defekter Blitz nicht tragisch, wenn man grundsätzlich mit externem Blitz arbeitet.
  • Bei Kameras die als „ungetestet, daher vorsorglich als defekt“ angeboten werden dürfte der eine oder andere Bieter darauf hoffen, dass die Kamera eigentlich vollständig in Ordnung ist. Wenn nicht, kann man sie ja selbst als „ungetestet, daher vorsorglich als defekt“ wieder einstellen…

Falls Sie eine defekte Kamera zuhause liegen haben, deren Reparatur nicht mehr lohnt, verkaufen Sie sie bei Ebay. Irgendjemand wird zuschlagen und die Kamera entweder trotz Handicap weiterverwenden oder zumindest aus zwei defekten Kameras eine funktionierende (oder zwei noch kaputtere) basteln. Besser als die Kamera noch jahrelang aufzubewahren und sie dann erst dem Wertstoffhof anzuvertrauen ist das jedoch allemal. Falls Ihnen Online-Auktionen suspekt sind: Sie dürfen natürlich auch gerne uns fragen, ob wir die Kamera haben wollen. Spannende Exemplare nehmen wir tot oder lebendig...

Tipps für Verkäufer:

Warum werden manche Kameras zu Preisen jenseits des Marktpreises verkauft, während andere für deutlich weniger Geld keinen Käufer finden? Vermutlich hat das viel mit Zufall zu tun - Ahnungslose Verkäufer, professionelle Händler und das eine oder andere Schlitzohr bilden eine fröhliche Mischung und treffen auf eine ähnlich heterogene Käuferschicht. Das führt zu Ausreißern nach oben oder nach unten. Ein paar Mechanismen scheint es aber doch zu geben, die man sich als Verkäufer zunutze machen kann.

Bei der Analyse der über dem Marktpreis verkauften DSLR-Kameras ist mir aufgefallen, dass häufig bereits in der Artikelbeschreibung auf eine Besonderheit des Angebots eingegangen wird. Das kann beispielsweise so aussehen:

…mit zwei Objektiven 18-55 und 70-300 mm
…mit Originalverpackung
…wie neu mit nur 8000 Auslösungen

Selbstverständlichkeiten aus den technischen Daten helfen hingegen nicht, also z.B. die Sensorauflösung oder die Blendenwerte des Kit-Objektivs.

Tendenziell ist der Verkaufspreis bei getrenntem Verkauf von Kamera und Objektiven höher. Allerdings scheinen sich Kameras mit Urlaubs-Zoom (18-200 mm) sehr gut zu verkaufen, wobei da die Kamera wohl eher der „Beifang“ des eigentlich gesuchten Objektivs ist.

Auktionen übersteigen bei häufig gehandelten Modellen nur sehr selten den Marktpreis. Das scheint deutlich häufiger bei Sofortkäufen zu gelingen, wenn das Angebot einen besonderen Anreiz bietet (s.o.). Dafür ist hier auch das Risiko höher, dass kein Verkauf zustande kommt, wenn man „überreizt“ hat.

Also zusammengefasst:

  • Ermitteln Sie den Marktpreis. Wie das geht, steht in der grauen Box rechts oben auf dieser Seite.
  • Schreiben Sie alle Alleinstellungsmerkmale Ihres Angebots in den Titel
  • Wenn Sie ganz sicher verkaufen wollen: Machen Sie eine Auktion mit einem geringen Startpreis und ohne Mindestpreis. Meistens erhalten Sie etwas weniger als den Marktpreis. Es kann aber auch passieren, dass Sie deutlich niedriger landen.
  • Wenn Sie ziemlich sicher und zum fairen Preis verkaufen wollen: Machen Sie einen Sofortkauf und setzen Sie den Preis minimal niedriger als den Marktpreis an.
  • Wenn Sie auf Ihr Glück vertrauen wollen: Setzen Sie den Preis bei einem Sofortkauf deutlich höher als den Marktpreis an und hoffen Sie auf einen Ahnungslosen, der zuschlägt. Sehr viel wahrscheinlicher werden Sie allerdings schlicht keinen Käufer finden.

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